Der Kapazitätsmarkt in Deutschland steht vor einer umfassenden Diskussion und Kritik. Drei bedeutende Organisationen – der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne), die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) und die European Energy Exchange (EEX) – haben sich vehement gegen den geplanten Kapazitätsmarkt ausgesprochen. Eine von diesen Organisationen in Auftrag gegebene Studie stellt die Eignung dieses Marktes für einen Strommarkt mit hohem Anteil an erneuerbaren Energien in Frage.
Die Bundesregierung plant, den Kapazitätsmarkt bis 2028 einzuführen. Dieses Modell sieht vor, die Verfügbarkeit von Leistungskapazitäten zu vergüten, statt der tatsächlich gelieferten Kilowattstunden. Ziel ist es, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, insbesondere in Zeiten von sogenannten „Dunkelflauten“, wenn weder Sonne noch Wind ausreichend Energie liefern. Diese Entwicklung wird jedoch von den Auftraggebern der Studie kritisch gesehen.
Die Studie, durchgeführt vom Berliner Beratungsunternehmen Connect Energy Economics, kommt zu dem Schluss, dass die aktuellen Modelle der Kapazitätsförderung ungeeignet sind, um die Versorgungssicherheit in einem dynamischen Strommarkt mit hoher Erneuerbaren-Durchdringung effektiv zu gewährleisten.
Die Studie hebt mehrere zentrale Punkte hervor:
- Der Kapazitätsmarkt könnte zu einem „Förderwettlauf“ zwischen erneuerbaren Energien und Gas- bzw. Wasserstoffkraftwerken führen. - Die selektive Förderung bestimmter Technologien könnte den marktlichen Aufwuchs anderer Flexibilisierungsangebote verdrängen. - Bestehende Kapazitätsmärkte in Ländern wie Großbritannien, Belgien, Italien oder Polen haben gezeigt, dass sie überwiegend die Merkmale thermischer Kraftwerke widerspiegeln und die Marktchancen für Stromspeicher reduzieren.Die Studie empfiehlt stattdessen das Modell der Absicherungspflicht, wie es in der neuesten Reform der europäischen Strommarktrichtlinie definiert ist. Dieses Modell verlangt von allen Marktteilnehmern, ihre Lieferverpflichtungen zuverlässig abzusichern, was als effizienter angesehen wird.
Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft, betont: „Wir brauchen einen intelligenten Marktrahmen anstelle einer planwirtschaftlichen Förderung von Kapazitäten. Es kann nicht sein, dass wir den marktlichen Aufwuchs verschiedener Flexibilisierungsangebote zugunsten der Förderung von Erdgaskraftwerken mit einer bestenfalls ungewissen Wasserstoffhypothek verdrängen.“
Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer, erklärt: „Für die Wirtschaft ist es wichtig, dass die Stromkosten einer sicheren Energieversorgung für Betriebe begrenzt werden. Ziel sollte es daher sein, Investitionsanreize am Markt zu setzen, statt einzelne Technologien dauerhaft staatlich zu fördern.“
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass eine Stärkung des wettbewerblichen Strommarktes eine kostengünstige und sichere Versorgung ermöglicht. Statt über Förderprogramme für Kraftwerke zu diskutieren, die zu einer dauerhaften Fördernotwendigkeit führen könnten, sollten Anreize gesetzt werden, um den Strommarkt zu stärken. Ein gestärktes wettbewerbliches Marktdesign kann zeitnah umgesetzt werden und ermöglicht zügige Investitionen in neue Kapazitäten.
Der EU-Rechnungshof hat ebenfalls Kritik an der Wasserstoffstrategie der Europäischen Kommission geübt und empfiehlt eine Revision der Strategie. Die Kommission solle dabei im Detail klären, welche präzisen Marktanreize notwendig sind, und welche Teile der Wertschöpfungskette zwangsläufig gefördert werden müssen, um die knappen Fördermittel gezielter zu verteilen.
Die Diskussion um den Kapazitätsmarkt in Deutschland ist komplex und vielschichtig. Während die Bundesregierung den Kapazitätsmarkt bis 2028 einführen möchte, gibt es erhebliche Bedenken und Kritik seitens bedeutender Organisationen und Studien. Die vorgeschlagenen Alternativen, wie das Modell der Absicherungspflicht, bieten mögliche Lösungen, um die Versorgungssicherheit effizient und kostengünstig zu gewährleisten. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Diskussion weiterentwickelt und welche Maßnahmen letztlich umgesetzt werden.
Die Studie wurde vom Berliner Beratungsunternehmen Connect Energy Economics im Auftrag des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (bne), der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) und der European Energy Exchange (EEX) durchgeführt.